• Aus dem vsao

Eine Ära geht zu Ende

Mit dem Rücktritt von Nora Bienz verliert der vsao eine überaus engagierte und leidenschaftliche Vizepräsidentin, die während vieler Jahre Vollgas für den Verband gab. Wir blicken mit ihr zurück und auch etwas in die Zukunft.

Zu den vielen Aufgaben, die Nora Bienz als vsao-Vizepräsidentin ausführte, gehörte auch das Leiten von Sitzungen und Versammlungen. Bild: Severin Nowacki
Zu den vielen Aufgaben, die Nora Bienz als vsao-Vizepräsidentin ausführte, gehörte auch das Leiten von Sitzungen und Versammlungen. Bild: Severin Nowacki

Du bist Ende Juni als Vizepräsidentin des vsao zurückgetreten. Wie fühlt sich das an?

Es sind sehr gemischte Gefühle. Der vsao ist mittlerweile Teil meiner Identität. Ich bin fast so lange beim vsao, wie ich als Ärztin arbeite. Im März 2012 trat ich meine erste Stelle in Thun auf der Chirurgie an. Im April ging ich an die Mitgliederversammlung des vsao Bern und wurde direkt in den Vorstand gewählt. Eine gewisse Wehmut ist deshalb schon dabei. Gleichzeitig freue ich mich, dass nun Kapazitäten frei werden, die ich für andere Dinge nutzen kann. Ich möchte mich jetzt vor allem um meine Weiterentwicklung als Intensivmedizinerin kümmern. Ganz los lässt mich der vsao aber nicht: Ich bleibe im Vorstand der Berner Sektion, werde dort aber eine ganz andere, viel weniger aktive Rolle einnehmen.

Was waren die schönsten Momente in deiner vsao-Zeit?

Ein Highlight war sicher, dass es uns im vsao Bern gelungen ist, das Problem der befristeten Verträge in der Mutterschaft zu lösen. Heute ist im Gesamtarbeitsvertrag der Spitäler in Bern geregelt, dass sich befristete Verträge im Fall einer Schwangerschaft automatisch bis zum Ende des Mutterschutzes verlängern. Früher kam es manchmal vor, dass eine Ärztin mitten in der Schwangerschaft plötzlich arbeitslos war. Schön finde ich auch, dass wir als vsao den Schritt in die Social Media gemacht haben. Damit hatten wir uns lange schwergetan, aber ich habe wirklich Freude, wie sich das in kurzer Zeit sehr positiv entwickelt hat. Ein grosser Höhepunkt war natürlich auch das Jubiläumsjahr 2022 mit dem Fest und dem vsao-Mobil, mit dem wir verschiedene Spitäler in der ganzen Schweiz besuchten.

Gab es auch Ereignisse, an die du weniger gern zurückdenkst?

Ich hatte manchmal Mühe damit, dass es so schwierig ist, die Ärztinnen und Ärzte zu mobilisieren. Man spürt an der Basis immer wieder die Unzufriedenheit mit gewissen Umständen, aber nur wenige sind bereit, sich zu engagieren. Ich verstehe das natürlich, da der Arztberuf tatsächlich herausfordernd genug ist. Trotzdem hätte ich mir manchmal mehr Engagement gewünscht. Schwierig fand ich auch immer die Lohnverhandlungen. Da hat sich jedes Jahr das Dilemma des Gesundheitswesens gezeigt. Die Arbeitnehmenden haben legitime Forderungen wie etwa einen Teuerungsausgleich, müssen diese aber gegenüber Spitälern stellen, die offensichtlich finanzielle Probleme haben und rote Zahlen schreiben. Politisch und gesellschaftlich scheint der Wille zu fehlen, diesem Dilemma Rechnung zu tragen – im Gegenteil: Es wird immer vom Sparen gesprochen. Da braucht es in Zukunft tragfähige Lösungen. Es kann nicht sein, dass das Personal die Zeche in Form von Reallohnsenkungen zahlt.

Du konntest in deiner Zeit im vsao viele Ziele erreichen. Worauf bist du besonders stolz?

Der vsao wird heute als wichtiger Partner wahrgenommen: Wir und unsere Meinung sind gefragt. Das konnten wir stark ausbauen, und das freut mich. «Coach my Career», unser Mentoringprogramm, bei dem ich als Mitinitiantin von Anfang an dabei war, hat sich auch sehr gut entwickelt. Ich freue mich aber auch darüber, dass es mir gelungen ist, die Werte des vsao an meinen Arbeitsstellen einzubringen, und dass ich so an allen beruflichen Stationen auch kleine Dinge zum Guten verändern konnte.

Wo hast du dir mehr erhofft?

Das grosse Thema ist die Arbeitszeit. Mittlerweile ärgert es mich, dass wir nicht schon viel früher die 42+4-Stunden-Woche gefordert haben. Wir hatten das Gefühl, solange die 50-Stunden-Woche nicht eingehalten wird, können wir nicht noch mehr fordern. Im Nachhinein denke ich, dass wir offensiver hätten vorgehen können. Auch die Vereinbarkeit ist weiterhin ein Riesenthema. Für Frauen bedeuten Kinder auch heute noch oft einen Karriereknick. Ich hoffe und wünsche mir, dass in diesen Bereichen in Zukunft echte Fortschritte möglich sind.

Möchten Sie mehr über den Alltag von Nora Bienz erfahren? In einer Episode von Swissmedtalk gibt sie einen Einblick in ihre Arbeit als Intensivmedizinerin.

Zur Person

Nora Bienz ist Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin sowie für Intensivmedizin und arbeitet als Oberärztin am Inselspital in Bern. Seit 2012 ist sie im Vorstand des vsao Bern, von 2015 bis 2023 präsidierte sie diesen. Von 2016 bis Ende Juni 2024 war sie Mitglied des Geschäftsausschusses des vsao-Dachverbands, ab 2020 als Vizepräsidentin.