• Politik

Weniger Bürokratie ist möglich

Die zweite Umfrage des vsao zur administrativen Last in den Spitälern brachte noch einmal neue Erkenntnisse. Besonders hilfreich sind dabei diverse Hinweise und Ideen, wie der Aufwand für administrative Tätigkeiten von Ärztinnen und Ärzten reduziert werden kann.

Ärztinnen und Ärzte verbringen viel Zeit mit administrativen Aufgaben. Klare Vorgaben und Textbausteine helfen ihnen, sie effizienter zu erledigen. Bild: Adobe Stock/nenetus
Ärztinnen und Ärzte verbringen viel Zeit mit administrativen Aufgaben. Klare Vorgaben und Textbausteine helfen ihnen, sie effizienter zu erledigen. Bild: Adobe Stock/nenetus

Wenn es um aktuelle Herausforderungen im Gesundheitswesen geht, gibt es viele verschiedene Meinungen und Ansichten. Bei einem Thema sind sich aber alle einig: Die Bürokratie nimmt zu viel Raum ein, Ärztinnen und Ärzte sitzen zu oft am Computer, die administrative Last muss verringert werden. Dies war auch für den vsao eine der Erkenntnisse, die sich unter anderem aus den Gesprächen am vom vsao organisierten runden Tisch mit verschiedenen Gesundheitsakteuren ergaben. Wenn die Arbeitszeit von Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzten sinken und die Weiter- und Fortbildung eine höhere Priorität erhalten soll, führt kein Weg daran vorbei, die Prozesse in den Spitälern zu straffen und überflüssige oder redundante Arbeiten zu reduzieren bzw. zu streichen. Nur so lässt sich zum Beispiel die 42+4-Stunden-Woche ohne zusätzliche Stellenprozente und Ressourcen umsetzen.

Konkrete Verbesserungsmöglichkeiten gesucht

Um eine konkretere Idee davon zu erhalten, wo genau der Schuh in Sachen Bürokratie drückt, führten wir bereits im Sommer 2023 eine erste Umfrage durch. Die Ergebnisse publizierten wir im Frühling 2024. Was uns damals fehlte, waren Erfolgsgeschichten – oder zumindest Hinweise darauf, wie sich die Situation verbessern lässt. Deshalb lancierten wir im Sommer 2024 eine zweite Umfrage zum Thema, in der wir auch nach konkreten Verbesserungsmöglichkeiten fragten. Wir erhielten Antworten von über 500 Personen.

IT-Ausstattung hat Luft nach oben

Mit gut 50 Prozent Assistenzärztinnen und -ärzten und rund 25 Prozent Oberärztinnen und -ärzten bildeten die Teilnehmenden die Mitgliederstruktur des vsao gut ab. Die Einstiegsfrage, ob ein hilfreiches Diktiertool zur Verfügung steht, beantwortete fast jede dritte Person mit Nein. Auch die Informatikressourcen und IT-Ausstattung schätzten rund 30 Prozent der Befragten als ungenügend ein. In weiteren Fragen zur IT-Ausstattung bemängelten die Befragten vor allem die Ladezeiten der zur Verfügung stehenden Computer. Bei den offenen Fragen kam oft die Bemerkung, dass die IT-Systeme häufig abstürzten. Exemplarisch ist diese Aussage:

«Andauernd stürzen Programme ab, und es muss alles noch einmal erfasst werden. Greift eine weitere Person auf eine Akte zu, wird alles Eingegebene seit der letzten Speicherung gelöscht. Die Systeme ermutigen einen, die Arbeit nicht gründlich zu machen, weil alles viel zu lange dauert.»

Ineffizientes System zur Erfassung von Medikamenten

Auch bezüglich Medikamenten stellten wir einige allgemeine Aussagen in den Raum, und die Befragten konnten angeben, welchen davon sie zustimmen. Je über 60 Prozent Zustimmung gab es für die allgemeinen Aussagen, dass das System zur Erfassung von Medikamenten ineffizient sei und es generell zu viele Klicks brauche und dass das Erfassen von im Spital/System nicht vorhandenen Medikamenten sehr mühsam sei. Positiv ist, dass die Teilnehmenden bei den offenen Fragen auch viele gute Beispiele von bereits umgesetzten Verbesserungen nannten. Viele gaben zum Beispiel an, dass oft verschriebene Medikamente in den Favoriten zur einfachen Verordnung zur Verfügung stünden.

Viel Aufwand für Dokumentation

Auch bei der Dokumentation gibt es positive Beispiele, aber nicht nur. Das generelle Bild ist eher negativ: Knapp zwei Drittel der Antwortenden sind klar der Meinung, dass sie eindeutig zu viel dokumentieren müssen. Woran liegt das? Am meisten genannt wurden «fehlende einheitliche Vorgaben für die Erfassung von Informationen und Angaben» sowie die Tatsache, dass die Erfassung eines Eintrags im System ineffizient sei (je 55 Prozent). Als weitere Ursachen nannten die Befragten die Defensivdokumentation bzw. der Druck durch Vorgesetzte, viel und ausführlich zu dokumentieren (45 Prozent), sowie die fehlenden Schnittstellen im System, die dazu führen, dass Informationen mehrfach erfasst werden müssen (40 Prozent).

Bei den offenen Antworten kam sehr häufig der Hinweis, dass immer mehr Berichte für Krankenkassen und Versicherungen sowie Arztzeugnisse angefordert werden. Auch die Register (Stroke-, Krebs-, Todesfallregister usw.), die oft zusätzlich von Hand auf Papier ausgefüllt werden müssen, kamen oft zur Sprache.

Klare Vorgaben sparen Zeit

Es gab jedoch auch konkrete Vorschläge, wie Verbesserungen erzielt werden könnten. Oft genannt wurde die Idee, klare Vorgaben über Umfang und Art der erforderlichen Dokumentation zu machen, sie generell auf das Minimum zu beschränken und Textbausteine zur Verfügung zu stellen. Es gibt Beispiele von Kliniken, in denen dies gut funktioniert. Sehr oft äusserten die Antwortenden auch den Wunsch nach einem «gesamtschweizerischen Patientendossier, auf das alle Kliniken zugreifen können» bzw. einem «einzigen Klinikinformationssystem für die ganze Schweiz». Nach diesen Klinikinformationssystemen (KIS) haben wir separat gefragt. Ein Drittel der Antwortenden gab an, dass an ihrem Spital mehrere KIS in Betrieb seien. Vier von fünf Personen, die in einem solchen Spital arbeiten, sagten aus, dass diese KIS nicht miteinander kompatibel seien. Auch nach den Einführungen und Schulungen haben wir gefragt – gut 80 Prozent der Antwortenden hat eine solche Schulung erhalten. Diese beurteilten allerdings nur gut zwei Drittel als zumindest einigermassen hilfreich.

Komplizierte KIS

Auf die Frage, bei welchen Elementen des KIS der dringendste Handlungsbedarf besteht, nannten 70 Prozent die Reduktion von Klicks bzw. die Einführung von Standardprozessen, die sich mit einem Klick erfassen lassen. Fast ebenso viele (62 Prozent) nannten die Verbesserung der Schnittstellen, damit dieselben Informationen nicht mehrfach erfasst werden müssen. Ein Beispiel dazu aus einer Antwort:

«Verabreichte Chemotherapie wird im Verlauf durch Ärzte dokumentiert, durch Pflege im KIS und von Ärzteseite nochmals in einem extra entwickelten System. Schlimmstenfalls muss man also an drei Orten schauen, ob alles synchronisiert ist und wo der Patient gerade steht ... Im Rahmen der Digitalisierung wurden immer mehr Tools eingeführt, die zu deutlicher Mehrarbeit geführt haben oder untereinander nicht kompatibel sind.»

Es gibt aber auch hier positive Rückmeldungen, z. B. «KIS XY ist ein gutes System, wenn man mal den Umgang gelernt hat», oder «Sehr einfache Handhabung, wenige Klicks, gute Übersicht, übersichtliche umfassende Kurve». Wir haben auch nach Workshops zur Verbesserung von internen Prozessen gefragt. Nur ein Viertel der Antwortenden gab an, dass solche Workshops oder Ähnliches stattgefunden haben. Von diesen ist der grösste Teil der Meinung, dass dadurch positive Veränderungen angestossen wurden, z. B. eine bessere Aufgabenteilung oder eine effizientere Dokumentation. Die Frage nach den grössten Zeitfressern bildete den Abschluss der Umfrage. Die Auswertung der Antworten ergibt zwei klare Spitzenreiter: das Ausstellen von Berichten und das Einholen von Informationen über Patientinnen und Patienten (je von über zwei Dritteln der Antwortenden genannt, siehe Grafik).

Wie geht es nun weiter?

Insgesamt und insbesondere auch dank der vielen offenen Fragen, die zu interessanten Inputs führten, ergeben sich aus der Umfrage einige Anhaltspunkte, wo konkret angesetzt werden kann, um Verbesserungen zu erzielen und administrativen Aufwand in den Spitälern zu reduzieren. Wir haben einige davon identifiziert, die wir weiterverfolgen möchten, auch in Zusammenarbeit mit der FMH und weiteren Akteuren. Zum Beispiel wurde erneut klar, dass das elektronische Patientendossier (EPD) potenziell eine Entlastung sein kann und auch das Programm Digisanté des Bundes eine sinnvolle Idee ist. Der vsao wird sich in diesen Bereichen deshalb weiterhin konstruktiv einbringen, um diese Projekte so gut wie möglich zu unterstützen. Klar ist auch, dass die Dokumentation ein Riesenthema ist, das einzelne Spitäler und Kliniken besser und effizienter handhaben als andere. Wir wollen gute Beispiele finden und diese zugänglich machen, sodass sie als Inspiration für andere dienen können. Weitere mögliche Themen sind die Register, bei denen eine Vereinfachung möglich scheint, die KIS sowie die Krankenkassenrückfragen und Kostengutsprachen. Wir bleiben an diesen Themen auf jeden Fall dran, nicht zuletzt auch, um Spitälern Ideen liefern zu können, wie sie Arbeitszeit einsparen können – zugunsten der Vereinbarkeit sowie der ärztlichen Weiter- und Fortbildung.