- Fokus: Innenleben
4000 warme Mahlzeiten, 70 Mitarbeitende und 100 Rezepte pro Tag
Saltimbocca mit Safranrisotto, Tortellini oder doch lieber Kalbsrahmgulasch? Dreimal täglich erhalten die Patientinnen und Patienten am Universitätsspital Zürich eine Mahlzeit nach Wahl, und auch die zahlreichen Mitarbeitenden und Besuchenden wollen versorgt sein. Wie gelingt dies? Ein Einblick ins Innere der USZ-Spitalküche.
08.04.2025

Um 6.30 Uhr kommt Leben in die riesigen Hallen der Spitalküche des Universitätsspitals Zürich; bis zu 70 Personen seien an Wochentagen dort, sagt Thomas Marti, Abteilungsleiter Küchen. Mitarbeitende der Küche kontrollieren die Qualität der frühmorgens angelieferten Backwaren sowie des Obsts und Gemüses, bevor sie dieses waschen und in die Rüsterei bringen. Dort hängen Zettel, auf denen vermerkt ist, wie Obst und Gemüse zu verarbeiten sind: Bâtonnets, Scheiben, Würfel – je nach geplantem Rezept.

«Wenn möglich kommen die Lebensmittel aus regionaler Produktion», sagt Richard Bartling, Teamleiter Entwicklung und Arbeitsvorbereitungsküche (AVOR). «Bei den Mengen, die wir verarbeiten, können wir aber nicht mit einzelnen Betrieben arbeiten, sondern sind auf Grosslieferanten angewiesen.» Denn Tage, an denen 500 Kilogramm Obst und Gemüse verarbeitet werden, sind keine Seltenheit.

AVOR-Küche: genaues Abwägen ist Pflicht
Sind Obst und Gemüse gerüstet und abgewogen, kommen sie in die AVOR-Küche, wo Mitarbeitende ebenfalls schon seit den frühen Morgenstunden abwägen und portionieren: Reis, Pfeffer, Salz – alle trockenen und länger haltbaren Zutaten werden aufs Gramm genau abgewogen und auf einem entsprechend beschrifteten Wagen bereitgestellt.
80 bis 100 Rezepte sind es pro Tag. Diese Vorbereitung entlastet nicht nur die Köchinnen und Köche, sondern dient auch der Qualitätssicherung: Egal, wer kocht – das Resultat bleibt gleich.
Im Sechswochen- und Dreiwochenrhythmus
Auch der folgende Tag will geplant sein: Bis um 10 Uhr können die Gruppenleitenden ihre Bestellung aufgeben. Bei den Mengen orientieren sie sich an Erfahrungswerten: Die Menüs für die Mitarbeitenden wiederholen sich alle sechs Wochen, diejenigen für die Patientinnen und Patienten alle drei, jedoch mit saisonalen Anpassungen.

Überschuss einfrieren oder anders verwerten
Ebenfalls um 10 Uhr ist für die Patienten-Hotellerie Bestellschluss fürs Mittagessen. Erst dann wissen die Gruppenleitenden definitiv, was sie für die nächste Mahlzeit brauchen. Dies ist auch der Moment, um etwaige Lücken zu schliessen und allfälligen Überschuss zu verplanen. «Fleisch beispielsweise können wir einfrieren und drei Wochen später verwenden», erklärt Rudolf Kägi, Gruppenleiter Patienten-Diätküche. Andere überschüssige Lebensmittel werden fürs Soulfood-Buffet im Personalrestaurant aufbereitet. Den definitiven Produktionsplan mit allen Zahlen druckt Rudolf Kägi aus, ebenso wie Symbolkarten für alle Patientinnen und Patienten. Diese werden später helfen, die richtigen Menüs zusammenzustellen. Doch zuerst will gekocht sein …
4000 warme Mahlzeiten pro Tag
Es brutzelt und zischt in der Küche, die Zubereitung der warmen Speisen ist in vollem Gange. In riesigen Töpfen köcheln der Safranrisotto und die Süsskartoffel-Limettensuppe – etwa 250 Liter sind es an diesem Tag –, etwas weiter drüben braten Köchinnen und Köche portionenweise Zucchettischeiben und Schweinsplätzli an. Jeder Griff scheint zu sitzen. Dies bestätigt Silvio Derungs, Gruppenleiter Warme Produktion. «Alle wissen, was zu tun ist.» Wer dabei welche Aufgaben erledige, hänge auch von den individuellen Vorlieben ab. Manche hätten ihr Steckenpferd, etwa die Saucen oder das Fleisch, anderen sei die Abwechslung lieber. So oder so: Zügig muss es gehen. Denn an Wochentagen liefert die Warme Produktion rund 4000 Mahlzeiten, hinzu kommen andere Aufgaben wie das Vorkochen von Teigwaren oder das Zubereiten von Antipasti.

Diätküche: möglichst nahe am Original
Deutlich kleinere Dimensionen sind in der Diätküche vorzufinden. Auf einer Ablage stehen kleine Pfännchen mit verschiedenen Saucen, am Stiel klebt jeweils ein Zettel mit Informationen zum Inhalt.

Um die 30 der 650 bis 700 Patientinnen und Patienten erhalten Spezialkost. Dazu gehören etwa Personen mit Dysphagie oder Allergien. «Wir kochen so weit als möglich nach bestehendem Rezept und ersetzen dann einzelne Zutaten», erklärt Marcel Lichtsteiner, Teamleiter Diätküche. Insbesondere bei komplexen Allergien sei es nicht immer ganz einfach, die richtige Alternative zu finden. «Da braucht es ab und zu auch etwas Improvisation, damit das Essen möglichst so schmeckt wie das Original.»

Anrichten und vorbereiten
Etwas weiter drüben, hinter einer Glasscheibe, wird ebenso konzentriert gearbeitet, jedoch mit einer etwas gedämpften Geräuschkulisse. Denn dort befinden sich die Kalte Anrichte und die Dessertproduktion.
Sandwiches, Salate, Birchermüesli, Cakes, Desserts, Glacés – alles, was kalt und süss ist, werde hier für die Patienten-Hotellerie, Bistros und Restaurants sowie für interne Caterings zubereitet und angerichtet, sagt Thomas Haab, Teamleiter Kalte Anrichte.
Zahlen und Farben
Doch wie gelangen nun all die feinen Speisen in die richtigen Zimmer? Pünktlich um 10.45 Uhr beginnt das Anrichteband zu laufen. 19 Personen stellen sich daran auf und beladen die Tabletts: Ein 110 °C heisser Metall- und ein 90 °C heisser Porzellanteller sorgen dafür, dass die Speisen auch nach dem Transport noch eine Kerntemperatur von 65 °C haben. Was auf die Teller kommen soll, sehen die Mitarbeitenden anhand der Produktionskarten: Jede Farbe verweist auf eine Speise, die Nummer zeigt die Grösse der Portion an.
Mit einem Paternoster fahren die fertig beladenen Tabletts zwei Stöcke nach unten, wo Mitarbeitende der Abwaschküche sie in die Transportwagen laden und mit einem Elektromobil über die unterirdischen Gänge des USZ verteilen.
Dankbare Patientinnen und Patienten
Auf den Stationen serviert das Pflegepersonal die bestellten Mahlzeiten. Dies sei eine schöne Aufgabe, sagt Ladina Westermann, Abteilungsleiterin Patienten-Hotellerie. «Viele der Patientinnen und Patienten hangeln sich von Essen zu Essen und sind sehr dankbar.» Natürlich gebe es auch ab und zu kritisches Feedback.
Food Waste wo möglich reduzieren
Zurück in der Abwaschküche wird alles gereinigt: Tablett, Geschirr, Besteck und auch die Transportwagen. Aktuell sei das USZ daran, die Essensreste – rund 25 Prozent der Speisen aus der Patienten-Hotellerie kämen zurück – zu analysieren, um Food Waste zu reduzieren, sagt Claudio Deflorin, Gruppenleiter Abwaschküche. Seit einiger Zeit umfasse beispielsweise das Frühstück nur noch eine Portion Butter, zusätzliche Portionen könnten die Patientinnen und Patienten bei Bedarf auf der Station bestellen. Doch so einfach sei es nicht überall. Zwar hätten Patientinnen und Patienten schon jetzt die Möglichkeit, nur eine halbe Portion zu bestellen. «Aber das Hungergefühl kann sich je nach Krankheit und Medikament schnell verändern: Manche Speisen kommen fast unberührt zurück.»
Die Ruhe vor dem Sturm
Sind die Küchenutensilien sauber, fahren sie mit dem Lift wieder nach oben in die Küche. Dort ist es mittlerweile etwas ruhiger geworden. Doch diese Ruhe wird nicht allzu lange anhalten. Denn schon bald treffen die Bestellungen fürs Abendessen ein …