• My Way

Chemie oder Medizin?

Die Ophthalmologin Klara Landau wurde 2005 zur ersten Klinikdirektorin am Universitätsspital Zürich ernannt. In der sechsteiligen Kolumne «My Way» erzählt sie ihren Werdegang (Teil 1/6).

Man wird ja nicht als Studentin geboren, deshalb tut an dieser Stelle eine kurze Vorstellung meiner Person not: Ich bin 1953 in Prag geboren und dort aufgewachsen, als einziges Kind meiner Eltern, die beide zwar Akademiker waren, mit Medizin aber nichts am Hut hatten – Vater Jurist, Mutter Ökonomin. Auch in der weiteren Verwandtschaft gab es keine Ärztinnen oder Ärzte, bis auf eine gute Freundin meiner Eltern, die bei meiner Entscheidung, Medizin zu studieren, eine entscheidende Rolle spielen sollte.

Ich hatte eine unbeschwerte Kindheit – zumindest bis zur Zerschlagung des Prager Frühlings im Sommer 1968, als die Armeen des Warschauer Paktes in meine Heimat einmarschierten und die Hoffnung auf eine offene Gesellschaft begruben. So geschah es zum ersten Mal, dass weltpolitische Ereignisse einen direkten Einfluss auf mein weiteres Leben nahmen. Wir ersuchten um Asyl in der Schweiz, ich kam als 16-Jährige nach Glarus und ein knappes Jahr später nach Zürich, wo ich 1972 die Matura Typ C erlangte. Dass ich studieren wollte, war mir immer schon klar, die Wahl des Studiums fiel mir aber schwer – so vieles hat mich interessiert. Kurz bevor ich mich für ein Chemiestudium an der ETH Zürich anmeldete, bekamen wir Besuch von der bereits erwähnten, erfahrenen Ärztin. Sie fragte nach meinen Studienplänen, und ich antwortete höflich, dass ein sicherlich sehr spannendes Medizinstudium für mich leider nicht infrage käme, da ich Blut nicht sehen und niemals auch nur eine Blutentnahme machen könne, geschweige denn operieren. Sie hat nur gelacht, meine Befürchtungen relativiert und mir Mut gemacht, es trotzdem zu versuchen. Dafür werde ich ihr für immer dankbar bleiben!

Zu Beginn des Medizinstudiums in Zürich waren wir 46 Frauen und 210 Männer – was für ein Unterschied zu heute, ein halbes Jahrhundert später! Das sechsjährige Studium war intensiv, und die Prüfungen waren schwer, denn es gab keinen Numerus clausus, und die notwendige Selektion erfolgte im ersten, zweiten und teilweise sogar dritten Propädeutikum. Trotzdem blieb Zeit für verschiedenste Jobs, um Geld zu verdienen, für Wasserspringen und Volleyball im Akademischen Sportverband Zürich (ASVZ) und für fröhliche Feste an den Wochenenden. Die ersten Erfahrungen in Wohngemeinschaften prägten die erste Hälfte des Studiums, danach kamen die Höhen und Tiefen des Zusammenlebens mit meinem damaligen Freund. Wir haben es geschafft und sind noch immer die besten Freunde – nach über 41 Ehejahren.

Aber ich will nicht vorgreifen. Eine prägende Erinnerung aus der Studienzeit bleibt für mich der plötzliche Tod eines Kommilitonen und guten Freundes während des Sezierkurses in der alten Anatomie. Trotz sofortiger Reanimation hat sein Herz versagt. Wie sich bei der Obduktion herausstellte, hatte er einen bis dann unentdeckten embryonalen Tumor des Myokards, und es war ein Wunder, dass er das Erwachsenenalter erreicht hatte. Drei Jahre später verunfallte sein und unser enger Freund während des Wahlstudienjahres tödlich. Beim Staatsexamen mussten wir unsere Vierergruppe neu zusammenstellen, denn die beiden Freunde, mit denen wir noch auf das erste Propä büffelten, waren nicht mehr da. Der Ernst des Lebens hatte uns definitiv eingeholt und unserer Berufswahl eine neue Dimension gegeben.

Klara Landau ist emeritierte Professorin für Ophthalmologie und war die erste Frau an der Spitze einer Klinik des Universitätsspitals Zürich. Sie erzählt ihren Werdegang in sechs Stationen.