- My Way
Sunny California
Als Assistenzärztin in Israel hatte Klara Landau erfahren, dass es möglich ist, mit Kindern Karriere zu machen und dass ihre Meinung zählt (Teil 3/6).
13.06.2024
Wo waren wir in der letzten Ausgabe stehen geblieben? Genau, beim Brief aus Kalifornien, der tatsächlich eine Zusage enthielt. Mit grosser Freude und hohen Erwartungen nahm ich die unbezahlte Stelle als Clinical Fellow in Neuro-Ophthalmologie an der Augenklinik des University of California San Francisco Medical Center an. Mein Mann erhielt ein Stipendium als Postdoc in Chemie an der UC Berkeley, und so konnten wir Ende 1988 mit einem stattlichen Jahresbudget von USD 27000 als vierköpfige Familie in unser kalifornisches Abenteuer starten. Wir wohnten in der Nähe von Berkeley, sodass ich jeden Tag mit dem Zug – genannt BART – auf die andere Seite der Bucht nach San Francisco pendelte. Um 7.30 Uhr stand ich – mit wenigen anderen Fellows aus der ganzen Welt – im Büro unseres Mentors Prof. William F. Hoyt, um die Fälle des Vortages anhand der über Nacht zusammengesuchten Fachliteratur zu diskutieren. Während es mir in meiner vorherigen Weiterbildung vor allem darum gegangen war, eine gute Klinikerin zu werden, begeisterte mich nun die neue akademische Atmosphäre, denn ich entdeckte die Freude an der klinischen Forschung.
Einen Vorteil hatte es, dass mein berühmter Mentor keinen Lohn zahlte: Ich konnte mit gutem Gewissen um punkt 16 Uhr meine Sachen packen. Es ging so weit, dass er mich selbst mit den Worten «Cinderella, it is 4 p.m.» nach Hause schickte. Während mein Mann morgens dafür verantwortlich war, die Kinder in die Krippe und in den Kindergarten zu bringen, war es abends meine Aufgabe, sie abzuholen. Am 17. Oktober 1989 um 17.04 Uhr war ich also noch im Zug, schon auf der Seite von Berkeley, als sich das grosse Erdbeben – the big one – ereignete. Ich konnte die Kinder erst mit grosser Verspätung abholen, aber wir hatten wirklich Glück, dass unsere Familie mit dem Schrecken davonkam.
Ein «Erdbeben» anderer Art ereignete sich im selben Zeitraum in Zentraleuropa: Der Fall der Berliner Mauer am 9. November und die samtene Revolution in Prag Ende November führten dazu, dass ich nach über 20 Jahren endlich meine Heimatstadt wieder einmal besuchen konnte – ein sehr emotionales und schönes Erlebnis.
Das zweite Jahr in Kalifornien war schon etwas leichter: Ich erhielt für meine Forschungstätigkeit an der UC Berkeley School of Optometry einen bescheidenen Lohn als Zugabe zu unserem knappen Jahresbudget, die Kinder waren bestens integriert, und wir unternahmen Reisen in die nähere Umgebung, meist mit einem Zelt.
Die Zeit verging wie im Flug, und langsam mussten wir uns darum kümmern, nach Israel zurückzukehren. Es kam aber alles anders, denn einmal mehr beeinflusste die Weltpolitik unsere Zukunft nachhaltig. Diesmal war es der Golfkrieg, der uns dazu veranlasste, Anfang 1991 nicht direkt nach Israel zu ziehen, wo man wegen der Drohungen vonseiten Saddam Husseins allen Bürgerinnen und Bürgern Gasmasken anpasste.
Wir beschlossen also, für ein Jahr in die Schweiz zu gehen, bis sich die Lage im Nahen Osten beruhigt hatte. Dieses Jahr dauert bis heute an, und der Nahe Osten brennt wie nie zuvor …
Unsere beiden Kinder, damals acht- und fünfjährig, kamen also im Frühling 1991 nach Zürich, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Wir Eltern konnten problemlos sehr gute Stellen bekommen, mein Mann an der ETH und ich an der Augenklinik des Universitätsspitals Zürich. Ein neuer Lebensabschnitt begann – Fortsetzung folgt!
Klara Landau ist emeritierte Professorin für Ophthalmologie und war die erste Frau an der Spitze einer Klinik des Universitätsspitals Zürich. Sie erzählt ihren Werdegang in sechs Stationen.