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«Jetzt zählen Taten und spürbare Verbesserungen»

Seit einem halben Jahr ist Jörg Gröbli Geschäftsführer des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF). Vonseiten der Assistenzärztinnen und -ärzte stand das SIWF immer wieder in der Kritik. Was sind die grössten Herausforderungen und wie geht Jörg Gröbli diese an?

Assistenzärztinnen und -ärzte zeigten sich aufgrund des komplizierten E-Logbuchs und der langen Wartezeiten bei der Titelerteilung oft unzufrieden mit dem Schweizerischen Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF). Nun sind auf verschiedenen Ebenen Verbesserungsprozesse im Gang. Bild: Adobe Stock
Assistenzärztinnen und -ärzte zeigten sich aufgrund des komplizierten E-Logbuchs und der langen Wartezeiten bei der Titelerteilung oft unzufrieden mit dem Schweizerischen Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF). Nun sind auf verschiedenen Ebenen Verbesserungsprozesse im Gang. Bild: Adobe Stock

Jörg Gröbli, Sie sind seit Januar 2024 Geschäftsführer des SIWF. Wie ist es dazu gekommen?

Ganz korrekt ist es so, dass ich als externer Unternehmensberater von Januar bis März 2024 Geschäftsführer ad interim war. Erst seit dem 1. April bin als Geschäftsführer offiziell im Amt. Ich komme nicht aus dem medizinischen Bereich, sondern habe Betriebswirtschaftslehre studiert, später ein Executive Master of Business Administration, kurz EMBA, gemacht und für verschiedene, vor allem grosse und sehr grosse Unternehmen gearbeitet. In den letzten zehn Jahren war ich bei einem internationalen Beratungsunternehmen tätig. Erst im vergangenen Jahr habe ich zu einer Schweizer Beratungsfirma gewechselt, die ein Mandat des SIWF angenommen hat. So kam ich zu dem Mandat als Geschäftsführer ad interim, mit dem Auftrag, eine Reorganisation anzustossen und eine neue Geschäftsführung zu suchen. Die Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung und dem Vorstand war von Anfang an sehr gut und so kam es zum Entscheid, dass ich definitiv die Stelle als Geschäftsführer übernehme.

Wenn vom SIWF die Rede ist, kommt sehr schnell die Kritik, dass die Bearbeitungszeiten bei Diplomanträgen sehr lang sind. Was unternehmen Sie, um diese Wartefristen zu verkürzen?

Punktuell hat es sich bereits verbessert, aber wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen. Das Umfeld hat sich verändert. Es gibt immer mehr Ausnahmen, die Komplexität ist gestiegen. Man hat deshalb bereits in der Vergangenheit Massnahmen ergriffen, um der Sache Herr zu werden. Auf diesem Weg gab es aber Rückschläge; zum Beispiel kam es 2021 zu Personalabgängen, wodurch das Team, das sich um die Anträge kümmert, von zwölf auf zeitweise nur noch acht Personen schrumpfte. Da es teilweise bis heute nicht gelungen ist, die offenen Stellen zu besetzen, kam es zu einem Rückstau und einer massiven Verlängerung der Bearbeitungszeiten bei den Diplomen.

Die fehlenden Personalressourcen sind aber nicht das einzige Problem?

Nein. Wir versuchen nun deshalb, mit einer umfassenden Reorganisation des SIWF die Situation ganzheitlich anzugehen. Die Probleme, die zu den langen Bearbeitungszeiten geführt haben, sind vielschichtig. Zum Beispiel ist auch das E-Logbuch noch nicht die optimale Lösung, weder für uns noch für die Ärztinnen und Ärzte. Es gab keine Bestrebungen, den Gesamtprozess zu verbessern, gewisse Schritte zu automatisieren. Deshalb ist das E-Logbuch in der jetzigen Form zu wenig intuitiv und es stellt eher eine Hürde dar als eine Vereinfachung. Wir sind nun daran, eine komplette Prozessoptimierung umzusetzen. Wir erheben alle Prozesse, stellen sie dar, analysieren sie, um die Effizienz zu steigern. Das ist auch eine wichtige Voraussetzung für eine zukünftige Digitalisierung der gesamten Organisation. Wir müssen die Prozesse verstehen, sie optimieren und dann können wir entscheiden, wie wir uns weiterentwickeln wollen.

Gleichzeitig hinterfragen wir auch die Struktur der Organisation und suchen nach Möglichkeiten, Synergien zu nutzen. Das SIWF war bisher sehr statisch unterwegs und wenig marktorientiert. Wir wollen uns deshalb besser auf unsere Anspruchsgruppen – insbesondere die Assistenzärztinnen und -ärzte, die Weiterbildungsstätten und unsere fortbildungspflichtigen Fachärztinnen und -ärzte – ausrichten, deren Bedürfnisse abholen sowie flexibler und anpassungsfähiger werden.

Auch in der Kommunikation wollen wir besser werden und erstellen deshalb aktuell ein Kommunikationskonzept, damit wir regelmässig und proaktiv mit unseren Anspruchsgruppen kommunizieren. Wir versuchen also, die Organisation auf verschiedenen Ebenen neu auszurichten.

Bis wann können erste und spürbare Verbesserungen erwartet werden?

Bei den Prozessen investieren wir aktuell sehr viel. Auch bei der Rekrutierung im Bereich Diplome sind wir sehr aktiv. Ich gehe davon aus, dass deshalb bereits im vierten Quartal Verbesserungen spürbar sein werden. Der Bereich Diplome ist für uns sehr wichtig, weil wir daran gemessen werden. Es gibt aber noch andere Pfeiler im SIWF, die wir ebenfalls anschauen.

Mit der umfassenden Reorganisation wird es gelingen, spürbare Verbesserungen zu erzielen.

Jörg Gröbli,  Geschäftsführer des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF)

Beim vsao ist bisweilen der Eindruck entstanden, dass das SIWF die Probleme zwar sieht, sie aber nicht lösen kann.

Bis jetzt wurde vor allem mit Sofortmassnahmen gearbeitet, mit denen die gewünschte Wirkung nur bedingt erzielt werden konnte. Es ist auch ein komplexes Umfeld, es gibt einen Bundesauftrag und Qualitätsstandards, wir können deshalb nicht in Eigenregie alles anders machen. Mit der umfassenden Reorganisation wird es aber gelingen, spürbare Verbesserungen zu erzielen. Wir sind bereits jetzt besser geworden, die Bearbeitungszeit bei Diplomanträgen konnten wir bei durchschnittlich 120 Tagen stabilisieren, von der Einreichung bis zu Titelerteilung. In der Vergangenheit lag dieser Wert zeitweise bei 140 Tagen. Wir wollen diese Frist noch weiter reduzieren, aber immerhin haben wir nun eine Stabilisierung erreicht.

Aktuell erhalten gemäss unserer Mitgliederbefragung nur 21 Prozent der Assistenzärztinnen und -ärzte die vorgeschriebenen vier Stunden strukturierte Weiterbildung pro Woche. Was unternimmt das SIWF, um diese Situation zu verbessern?

Das SIWF hat klare Vorgaben gemacht, die bei einer Akkreditierung oder Re-Evaluation einer Weiterbildungsstätte überprüft werden. Kommt dabei heraus, dass die Weiterbildung ungenügend ist, könnten wir prinzipiell die Akkreditierung entziehen. Dies würde bedeuten, dass diese Klinik wahrscheinlich keine Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung mehr anstellen kann, da die Weiterbildungsperiode nicht mehr für den Facharzttitel angerechnet werden könnte. Aber auch hier haben wir zu langwierige Prozesse, die wir aktuell überprüfen. Auf der anderen Seite haben wir mit unserem Papier zur strukturierten Weiterbildung, über welches das vsao Journal auch schon berichtet hat, aufgezeigt, dass viel Weiterbildung auch während der regulären klinischen Arbeit erteilt werden kann. Dazu braucht es aber die richtigen Ärztinnen und Ärzte in leitenden Positionen, die diese Aktivitäten, sogenannte Entrustable Professional Activities, supervisieren. Aber auch die Lehr- und Lernkultur muss in vielen Weiterbildungsstätten verbessert werden. Daran arbeiten wir mit den «Teach the teachers»-Kursen und einer Art Qualitätslabel für medizinische Bildungsexpertinnen und -experten.

Die Umstellung auf die kompetenzbasierte Weiterbildung ist ein weiteres grosses Thema. Ist diese Reform auf gutem Weg?

Das ist ein sehr breit angelegtes Projekt, bei dem es um einen Paradigmenwechsel geht. Bei der Weiterbildung wird nicht mehr nur auf die Anzahl Weiterbildungsjahre geschaut, sondern vermehrt darauf, ob die Kompetenzen vorhanden sind. Die Zusammenarbeit mit den Fachgesellschaften läuft sehr gut, wir haben auch mehrere Pilotspitäler unterschiedlichster Grösse, an denen wir die bereits bestehenden Standard-EPAs testen. Das Projekt ist aber langfristig angelegt, vor 2030 wird es wahrscheinlich wenig spürbare Auswirkungen auf die Assistenzärztinnen und -ärzte haben.

Sie haben erwähnt, dass auch die Kommunikation des SIWF neu ausgerichtet werden soll. Was sind die Ziele?

Wir müssen offen sein und selbstkritisch, wir wollen auch Fehler eingestehen können. Deshalb suchen wir den Kontakt mit dem vsao, mit den Weiterbildungsstätten und den Fachgesellschaften, damit ein Dialog entsteht. Wir wollen die Bedürfnisse aktiv abholen, damit wir uns verbessern können. Das hilft auch uns, da es bei einer aktiven Kommunikation weniger Rückfragen gibt. Am Ende ist es unser Ziel, eine qualitativ hochwertige Weiter- und Fortbildung sicherzustellen. Um das zu erreichen, brauchen wir auch eine aktive Kommunikation. Wir sind auf einem guten Weg, es braucht sicher noch ein bisschen Geduld, aber mir ist bewusst, dass jetzt Taten zählen und konkrete, spürbare Verbesserungen.

Zur Person

Jörg Gröbli ist seit Januar 2024 Geschäftsführer des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung (SIWF) – zunächst drei Monate auf Mandatsbasis. Er hat Betriebswirtschaftslehre studiert und verfügt über einen Executive Master in Business Administration (EMBA). Vor seinem Engagement für das SIWF war er während zehn Jahren beratend tätig als Senior Consultant und Country Manager im internationalen Beratungsunternehmen Enterprise Development Group (EDG).