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Long Covid: Welche Rechte haben betroffene Ärztinnen und Ärzte?

Mit SARS-CoV-2 ist vor einigen Jahren eine neue Erkrankung aufgetaucht, deren Langzeitfolgen noch heute spürbar sind. Auf welche Leistungen haben betroffene Ärztinnen und Ärzte Anspruch? Und wovon hängt dies ab? Ein Überblick.

Während der Coronapandemie waren Ärztinnen und Ärzte dem Coronavirus besonders ausgesetzt. Bild: Adobe Stock
Während der Coronapandemie waren Ärztinnen und Ärzte dem Coronavirus besonders ausgesetzt. Bild: Adobe Stock

Ärztinnen und Ärzte stehen im Dienst der Kranken und Verletzten. Gerade während der Coronapandemie wurde diese wichtige Aufgabe Tag für Tag auf die Probe gestellt. Nicht nur war die Arbeit an sich äusserst anspruchsvoll, auch begaben sich Ärztinnen und Ärzte selbst in Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus. Für viele der an SARS-CoV-2-Erkrankten hatte die Infizierung nur kurzzeitige Folgen – doch einige leiden noch heute darunter. Die Rede ist von Long Covid. Der vorliegende Beitrag soll der Frage nachgehen, welche rechtlichen Folgen eine Long-Covid-Erkrankung nach sich ziehen kann.

Arbeitsrechtliche Aspekte: Lohnfortzahlung und Kündigungsschutz

An SARS-CoV-2 erkrankte Ärztinnen und Ärzte, die aufgrund der Infizierung arbeitsunfähig geworden sind, haben Anspruch auf Lohnfortzahlung durch ihren Arbeitgeber (Art. 324a Abs. 1 OR). Wie lange ein Arbeitgeber den Lohn fortzahlen muss, hängt davon ab, wie lange die betroffene Person bereits im Betrieb arbeitet und ob der Arbeitgeber eine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen hat. Bei Arbeitsverträgen mit Spitälern besteht in aller Regel eine Krankentaggeldversicherung.

Bei einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund von SARS-CoV-2 besteht zudem ein zeitlicher Kündigungsschutz. Der Arbeitgeber darf während einer bestimmten Dauer nicht kündigen, wenn die betroffene Person ohne eigenes Verschulden durch Krankheit ganz oder teilweise an der Arbeitsleistung verhindert ist. Eine Kündigung, die während einer solchen Zeit ausgesprochen wird, ist nichtig. Die Dauer der zeitlichen Sperrfrist hängt davon ab, wie lange die Ärztin oder der Arzt bereits im Betrieb arbeitet.

Die Frage stellt sich nun, ob diese Bestimmungen auch für eine an Long Covid erkrankte Person zur Anwendung gelangen.

Long Covid als Krankheit?

Zwar fehlt es derzeit an einer etablierten Definition von Long Covid, und es besteht kein Konsens über die Definition einer Diagnose von Long Covid [1]. Dies ist allerdings auch gar nicht nötig, denn für die Frage der Lohnfortzahlung ist es nicht relevant, ob es sich bei Long Covid um eine Krankheit handelt oder nicht. Vielmehr kommt es darauf an, ob es eine unverschuldete Verhinderung war, welche die Arbeitsleistung unmöglich oder unzumutbar macht [2]. Ob sich Long Covid als Ganzes oder nur die einzelnen Symptome mittels Diagnosesystem klassifizieren lassen [1], ist dabei nicht von Bedeutung. Es kommt einzig darauf an, ob eine Person aufgrund ihrer Symptome als arbeitsunfähig gilt oder nicht. Ein solcher Beweis ist in der Regel durch ein Arztzeugnis zu erbringen [2].

Ärztinnen und Ärzte, die an den Symptomen von Long Covid leiden und deshalb arbeitsunfähig sind, haben daher Anspruch auf eine Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber sowie auf den zeitlichen Kündigungsschutz.

Sozialversicherungsrechtliche Aspekte: eine Berufskrankheit?

Damit sozialversicherungsrechtliche Leistungen geschuldet sind, muss eine Krankheit gemäss Art. 3 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG, SR 830.1) vorliegen. Da Long Covid kein selbstständiges Krankheitsbild darstellt, kann Long Covid an sich auch keine Krankheit im Sinne des Sozialversicherungsrechts darstellen. Einzelne Beschwerden können dies allerdings durchaus. Eine Krankheit ist gemäss Sozialversicherungsrecht «jede Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat» (Art. 3 Abs. 1 ATSG). Beschwerden von Long Covid wie Chronic Fatigue oder Kurzatmigkeit lassen sich daher durchaus als Krankheit qualifizieren [1].

Es ist weiter zu prüfen, ob Long Covid eine Berufskrankheit gemäss Art. 9 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung (UVG, SR 832.20) darstellen kann. Grundsätzlich kann die eigentliche Infektion mit SARS-CoV-2 bei Ärztinnen und Ärzten eine Berufskrankheit darstellen, sofern feststeht, dass sich die betroffene Person während ihrer Tätigkeit im Spital angesteckt hat (Art. 14 UVV i. V. m. Ziff. 2 lit. b Anhang 1). Ist dies der Fall, stellt sich weiter die Frage, ob sich auch die Langzeitbeschwerden der Erkrankung, also Long Covid, als Folge der ursprünglichen Infektion und daher als Berufskrankheit qualifizieren lassen.

Eine offene Frage

Diese Frage lässt sich derzeit noch nicht abschliessend beantworten. Damit eine Leistungspflicht des Unfallversicherers vorliegt, wird zwischen der Berufskrankheit und dem eingetretenen Schaden ein natürlicher sowie ein adäquater Kausalzusammenhang verlangt. Natürlich kausal sind alle Umstände «ohne deren Vorhandensein der eingetretene Erfolg [Schaden] nicht als eingetreten oder nicht als in der gleichen Weise bzw. nicht zur gleichen Zeit eingetreten gedacht werden kann». Adäquat kausal ist dagegen eine Ursache, «wenn [sie] nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet ist, einen Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen» (BGE 129 V 177 E. 3.1 und 3.2).

Teilweise wird befürchtet, dass diese Rechtsprechung dazu führen könnte, dass insbesondere bei ursprünglich milde verlaufenden Infektionen sowie generell bei unspezifischen Beschwerden die Adäquanz verneint wird. Daher wird eine nach dem Schweregrad der Infektion abgestufte Adäquanzprüfung gefordert – sofern zwischen der Schwere des ursprünglichen Krankheitsverlaufes und der Schwere der Long-Covid-Folgen ein nachweisbarer Zusammenhang besteht [1].

Wird hingegen die Leistungspflicht des Unfallversicherers bejaht, haben die betroffenen Personen Anspruch auf Erstattung und Übernahme der Behandlungskosten und – im Falle einer Arbeitsunfähigkeit – auf Taggeldleistungen. Die Unfallversicherung muss diese Leistungen so lange erbringen, als eine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes zu erwarten ist. Ist keine namhafte Besserung des Gesundheitszustandes mehr zu erwarten, hat die Invalidenversicherung ihre Leistungspflicht zu prüfen.

Fazit

Sowohl die Infektion mit SARS-CoV-2 wie auch allfällige Langzeitbeschwerden können zu einer Arbeitsunfähigkeit führen. Diese löst die Lohnfortzahlungspflicht und den zeitlichen Kündigungsschutz aus. Wird die Erkrankung als Berufskrankheit gemäss UVG anerkannt, hat die Unfallversicherung die Behandlungskosten zu übernehmen und allfällige Taggeldleistungen zu erbringen.

Literatur

  1. Egli Philipp/Kradolfer Matthias/Vokinger Kerstin Noëlle, «Long Covid», SZS 2021.
  2. Portmann Wolfgang/Rudolph Roger, in: Widmer Lüchinger Corinne/Oser David (Hrsg.), Basler Kommentar Obligationenrecht I, 7. Auflage, Basel 2020, Art. 324a N 21.