- Next Level
Feedback geben
Regelmässige Rückmeldungen ermöglichen es Assistenzärztinnen und -ärzten, ihre Leistungen zu verbessern. Insbesondere dann, wenn relevante Defizite zur Sprache kommen, ist eine gute Vorbereitung des Feedbackgesprächs wichtig.
13.06.2024
Was sind meine Aufgaben als Oberärztin oder Oberarzt?
Da Oberärztinnen und -ärzte direkt für die Qualität der medizinischen Betreuung in ihrem ärztlichen Team mitverantwortlich sind, ist es wichtig, dass sie die Leistung ihres Teams beobachten, beurteilen sowie Probleme, Mängel usw. konkret ansprechen. Zudem tragen sie durch ihr Feedback wesentlich dazu bei, dass Assistenzärztinnen und -ärzte in ihrer Weiterbildung effizient vorwärtskommen und sich gezielt verbessern können.
Um eine optimale Patientenbetreuung zu erreichen, ist auch ein regelmässiger Austausch mit gegenseitigem Feedback innerhalb des interprofessionellen Teams wichtig.
Feedback ist eine gezielte Information über eine beobachtete Leistung im Vergleich zu einem definierten Standard [1]. Feedback soll möglichst konkret und konstruktiv beschreiben, wie etwas gemacht bzw. durchgeführt wurde: Ziel ist die spezifische Verbesserung oder Änderung eines Verhaltens, einer Tätigkeit oder eines Prozesses.
Voraussetzungen für Feedback
Respektvolles Klima: Ein respektvolles Lernklima ist die Grundvoraussetzung, damit Feedback effektiv und nachhaltig ist [2]. Nur durch gegenseitigen Respekt und Vertrauen kann Feedback gut angenommen und umgesetzt werden [3].
Erwartungen definieren: Es braucht definierte Vorgaben und Lernziele betreffend erwartete Leistung, um vorhandenes Wissen, eine Handlung oder ein Verhalten beurteilen zu können.
Beobachtete Handlungen: Feedback soll sich auf konkret beobachtete Situationen beziehen. Es wirkt unglaubwürdig, wenn es auf einem Hörensagen oder auf Aussagen Dritter basiert.
Regelmässig und zeitnah: Feedback soll regelmässig im Alltag integriert werden. Durch unmittelbares und direktes Ansprechen kann eine mangelhafte Leistung am effizientesten verbessert werden.
Wie läuft strukturiertes Feedback ab?
Auswahl der Inhalte und des geeigneten Rahmens: Vor dem Beobachten wird gemeinsam festgelegt, was die Ziele und Inhalte des Feedbacks sein sollen. Es sollen vor allem veränderbare Leistungen besprochen werden. Ein Feedback soll nach Möglichkeit immer in einer geeigneten und für beide Seiten angenehmen Umgebung stattfinden. Positives Feedback darf auch mal vor der Pflege oder vor Patientinnen und Patienten im Patientenzimmer stattfinden.
Selbsteinschätzung: Beim Feedbackgespräch wird als Erstes mit offenen Fragen die Selbsteinschätzung der Assistentin / des Assistenten erfragt, z.B.: «Wie hast du die Intervention, das Gespräch erlebt? Hast du dich sicher gefühlt? Gab es Unsicherheiten? Was hast du als schwierig empfunden?»
Durch die Selbsteinschätzung können Schwierigkeiten aufgegriffen werden, die von der Oberärztin / dem Oberarzt ebenfalls beobachtet wurden.
Feedback: Beim eigentlichen Feedback beschreibt die Oberärztin / der Oberarzt konkrete persönliche Beobachtungen. Dazu soll die Ich-Form verwendet werden, z.B.: «Ich habe beobachtet …, Mir ist aufgefallen …, Mir hat sehr gefallen, dass …»
Als Erstes bespricht die Oberärztin / der Oberarzt die Stärken (Verhalten, Gesprächstechnik, Fertigkeiten usw.), die beibehalten werden sollen. Die Assistenzärztin / der Assistenzarzt fühlt sich dadurch unterstützt und motiviert [4, 5]. Danach beschreibt und bespricht die Oberärztin / der Oberarzt, bei welchen Leistungen Verbesserungen angezeigt sind.
Eine Formulierung wie «… sehr gut, aber …» ist zu vermeiden, da unklar ist, was gut und was zu verbessern ist. Zudem hilft es, wenn die Oberärztin / der Oberarzt konkret begründet, weshalb etwas verbessert werden soll, und spezifische Veränderungsvorschläge macht, die nachvollziehbar sind. Damit können die Akzeptanz und die Bereitschaft zur Veränderung erleichtert werden. [6]
Zusammenfassung und Abschluss: Die Assistentin / der Assistent wird aufgefordert, ihre / seine Lerneffekte zusammenzufassen. Es kann ein nächstes Feedbacktreffen abgemacht werden, bei dem die Verbesserungen und Fortschritte erneut besprochen werden.
Auch wenn man sich gut vorbereitet, laufen nicht alle Feedbacks wie erwartet. Deshalb lohnt es sich, nach jedem Feedback zu überlegen, was gut gelaufen ist und was man beim nächsten Mal anders machen würde [5, 7].
Schwieriges Feedback
Feedback wird zu einer besonderen Herausforderung, wenn relevante Defizite beobachtet werden [8, 9]. Assistenzärztinnen und -ärzte sind sich dieser Defizite oft nicht bewusst.
Für Oberärztinnen und -ärzte stellt sich die Frage, wann und wie sie schwerwiegende Mängel ansprechen sollen. Es besteht das Risiko, dass schwierige Gespräche verschoben und weitergegeben werden, ohne dass die betreffende Person je eine Rückmeldung erhält. Jedoch können bis zu 90 Prozent dieser Schwierigkeiten nach einem Feedback mit anschliessender Intervention und adäquater Unterstützung behoben werden [10, 11]. Der Austausch mit anderen oberärztlichen Kollegen und Kolleginnen ist hier besonders wichtig und hilfreich.
TIPS-Modell
Ist schwieriges Feedback nötig, empfiehlt sich das TIPS-Modell [12]. Die ersten beiden Schritte sollten vor dem Gespräch stattfinden.
T = Type – Aufschreiben und Spezifizieren des Problemverhaltens: Essenziell für Feedback bei relevanten Defiziten ist eine gute Vorbereitung. Es sollen möglichst viele konkrete, am besten selbst beobachtete Beispiele gesammelt werden. Es lohnt sich, eigene Eindrücke aufzuschreiben. Zur Bestätigung können auch Eindrücke von anderen Beteiligten eingeholt werden.
I = Identification – Identifizieren der Kategorie des Problems: Die Zuordnung des Problems ist wichtig, um eine Lösungsstrategie entwickeln zu können. Die meisten Probleme können drei Gruppen zugeordnet werden:
- Wissen: z.B. relevante Lücken im medizinischen Basiswissen
- Verhalten/Haltung: z.B. fehlende Motivation, Selbstüberschätzung, mangelhafte Arzt-Patienten-Beziehung
- Skills: z.B. falsche Interpretation von Informationen und Befunden, fehlende interpersonelle und kommunikative Skills, chaotische Arbeitsorganisation
Die folgenden Schritte finden während des Feedbackgespräches statt.
P = Perception – Beobachtungen schildern: Die Oberärztin / der Oberarzt beschreibt das Problem als Beobachtung in der Ich-Form und gibt danach der Assistentin / dem Assistenten die Möglichkeit, ihre / seine Sicht der Dinge zu schildern. Zudem sollte die Oberärztin / der Oberarzt mit Feingefühl eventuelle private Ursachen und Leistungen in früheren Anstellungen ansprechen.
Je nach Verlauf des Gespräches können verschiedene Kommunikationstechniken unterstützend sein:
- Normalisieren: «Ich habe einige Assistenzärztinnen und -ärzte gesehen, die sich … »
- Assoziationen formulieren, Verständnis signalisieren: «Durch diese schwierige Situation zu Hause fällt es dir schwer, dich zu konzentrieren …»
Auch kann es helfen, eigene Erfahrungen mit ähnlichen Situationen zu schildern. Herausfordernd wird es dann, wenn es Diskrepanzen zwischen der Selbstwahrnehmung der Assistentin / des Assistenten und der Realität gibt. Falls keine Einsicht erreicht wird, etwas am eigenen Verhalten zu ändern, kann man sie / ihn auffordern, die Perspektive zu wechseln, oder schwierige Fragen stellen, z.B.:
- «Was denkst du, was würde ein Patient sagen über eine Assistenzärztin, die sich …»
- «Kann ich eine komische Frage stellen? Ich frage mich, ob du wirklich Arzt sein möchtest …»
S = Strategies – Plan aufstellen: Sobald die Mängel erkannt sind, werden gemeinsam konkrete Schritte besprochen, wie diese Mängel behoben werden könnten. Mögliche Interventionen sind:
- zusätzliche Supervision, Coaching oder Teaching
- schriftliches Festhalten von Erwartungen
- Reduktion der klinischen Arbeitsbelastung mit mehr geschützter Arbeitszeit
- Änderung des Arbeitsplatzes durch Rotation
- Probezeit und Beobachtungszeit verlängern
Die Massnahmen sollten in einem Gesprächsprotokoll schriftlich festgehalten und von beiden Teilnehmenden unterschrieben werden. Zusätzlich wird zur Evaluation der besprochenen Schritte ein Folgetermin vereinbart.
Ein Leitfaden zur oberärztlichen Tätigkeit
Der Schritt von der Assistenzzeit hin zur oberärztlichen Tätigkeit ist mit vielen neuen Aufgaben verbunden. Neben den fachlichen Kompetenzen sind auch vermehrt überfachliche Kompetenzen wie eine gute Kommunikation sowie didaktische und Führungsqualitäten gefordert. Die Artikelserie «Next Level» zeigt entsprechende Herausforderungen auf und bietet praktische Tipps und Unterstützung für die tägliche Arbeit. Die leicht angepassten und teilweise stark gekürzten Texte stammen aus dem Leitfaden «Die oberärztliche Tätigkeit – eine neue Herausforderung» und wurden vom Verlag Hogrefe sowie den jeweiligen Autorinnen und Autoren freundlicherweise für eine Zweitveröffentlichung zur Verfügung gestellt. Der gesamte Leitfaden mit den ungekürzten Texten und weiteren Themen ist beim Verlag Hogrefe oder bei der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) erhältlich.
Literatur
- van de Ridder JM, Stokking KM, McGaghie WC, Ten Cate OT. What is feedback in clinical education? Med Educ. 2008;42(2):189–97. https://doi.org/10.1111/j.1365-2923.2007.02973.x.
- Hewson MG, Little ML. Giving feedback in medical education: verification of recommended techniques. J Gen Intern Med. 1998;13(2):111–6. https://doi.org/10.1046/j.1525-1497.1998.00027.x.
- Hesketh EA, Laidlaw JM. Developing the teaching instinct, 1: feedback. Med Teach. 2002;24(3):245–8. https://doi.org/10.1080/014215902201409911.
- Cantillon P, Sargeant J. Giving feedback in clinical settings. BMJ. 2008;337:a1961. https://doi.org/10.1136/bmj.a1961.
- Dent J, Harden RM, Hunt D, eds. A practical Guide for Medical Teachers. 5th ed. Amsterdam: Elsevier; 2017.
- Vickery AW, Lake FR. Teaching on the run tips 10: giving feedback. Med J Aust. 2005;183(5):267–8. https://doi.org/10.5694/j.1326-5377.2005.tb07035.x.
- Ramani S, Krackov SK. Twelve tips for giving feedback effectively in the clinical environment. Med Teach. 2012;34(10):787–91. https://doi.org/10.3109/0142159X.2012.684916.
- Steinert Y. The «problem» junior: whose problem is it? BMJ. 2008;336(7636):150–3. https://doi.org/10.1136/bmj.39308.610081.AD.
- Hicks PJ, Cox SM, Espey EL, Goepfert AR, Bienstock JL, Erickson SS, et al. To the point: medical education reviews – dealing with student difficulties in the clinical setting. Am J Obstet Gynecol. 2005;193(6):1915–22. https://doi.org/10.1016/j.ajog.2005.08.012.
- Winter RO, Birnberg B. Working with impaired residents: trials, tribulations, and successes. Fam Med. 2002;34(3):190–6.
- Reamy BV, Harman JH. Residents in trouble: an in-depth assessment of the 25-year experience of a single family medicine residency. Fam Med. 2006;38(4):252–7.
- Lucas JH, Stallworth JR. Providing difficult feedback: TIPS for the problem learner. Fam Med. 2003;35(8):544–6.